Bornavirus: Feldspitzmaus ist Reservoir für Pferdevirus
Feldspitzmäuse zählen zu den geschützten Tierarten in Mitteleuropa.
Die Insektenfresser bergen jedoch ein dunkles Geheimnis. Forschende der Vetmeduni Vienna haben die Feldspitzmaus als Überträger des Bornavirus identifiziert.
Bei Pferden verursacht eine Infektion mit dem Virus eine tödliche Gehirnentzündung. Bisher war die Übertragung des Bornavirus unklar. Nun ist der Weg über die Spitzmaus zum Wirt aufgeklärt. Die Studie wurde vor kurzem im Journal PLOS ONE veröffentlicht.
Die Bornasche Krankheit, benannt nach der deutschen Stadt Borna, in der vor mehr als 100 Jahren zahlreiche Fälle auftraten, betrifft in erster Linie Pferde und Schafe. In seltenen Fällen treten auch Infektionen bei Rindern und Kaninchen auf. Ein einziger Fall ist auch beim Hund dokumentiert.
Symptome:
Wie äußert sich die Bornasche Krankheit beim Pferd?
Die Symptome der Bornaschen Krankheit beim Pferd sind sehr unterschiedlich. Nach der Ansteckung kann einige Zeit vergehen, bis die Erkrankung ausbricht. Die Symptome hängen davon ab, welche Gehirnregionen von der Krankheit betroffen sind. Experten unterscheiden die klassischen Symptome der Bornaschen Krankheit, von nicht so typischen Symptomen, die mit einer Infektion mit dem Borna-Virus in Verbindung gebracht werden.
Folgende Symptome können bei der Bornaschen Krankheit beim Pferd unter anderem auftreten:
Klassische Symptome der Bornaschen Krankheit
- Apathie, ungewöhnliches Verhalten des Pferdes
- Temperaturerhöhung
- Kaubeschwerden und Futterverweigerung: Manchmal kauen die Pferde und halten im Kauakt inne – das Futter fällt teilweise aus dem Maul; sie zeigen Kaubewegungen, obwohl sie kein Futter im Maul haben („Leerkauen")
- Leichter Durchfall
- Schläfrigkeit: Das Pferd reagiert nicht mehr auf Ansprache
- Die Pferde sind sehr schreckhaft, regen sich plötzlich auf
- Bestimmte Hautareale des Pferdes sind überempfindlich
- Neurologische Störungen: Die Pferde haben Schwierigkeiten, sich zu orientieren und zu koordinieren, die Beine brechen ein, sie haben einen steifen Gang, sie halten den Kopf schief oder tief, drängen sich gegen die Wand oder zeigen Manege- und Kreisbewegungen
- Die Zunge und die Augennerven des Pferdes können gelähmt sein
- Die Pferde reagieren sehr stark auf Umweltreize wie Licht und Lärm
Untypische Symptome der Bornaschen Krankheit (Atypische Form):
- Kolik-Symptome: Verstopfung, Durchfall, übelriechender Kot, oft immer auftretende Koliken, die schlecht therapierbar sind
- Gangunreinheiten
- Chronische Lahmheiten
- Kopfschütteln („Headshaking")
- Schluckbeschwerden
Viele Pferde, die an der Bornaschen Krankheit leiden, weisen Antikörper gegen das Borna-Virus auf. Das bedeutet, sie hatten oder haben sich infiziert und zeigen keine Symptome.
Bornaviren in Feldspitzmäusen nachgewiesen
Lange Zeit tappten Forschende im Dunkeln, was die Übertragungsweise des Bornavirus betrifft. Die Spitzmäuse standen bereits im Verdacht, ein klarer Nachweis fehlte jedoch. Norbert Nowotny und Jolanta Kolodziejek vom Institut für Virologie sowie Herbert Weissenböck vom Institut für Pathologie und gerichtliche Veterinärmedizin untersuchten gemeinsam mit einem Kollegen aus Deutschland insgesamt 107 Spitzmäuse, vor allem aus dem deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt. Alle Tiere waren Totfunde. Davon gehörten 58 Tiere der Feldspitzmausart an, wovon 14 Individuen das Bornavirus in sich trugen. In allen anderen Spitzmausarten wurden keine Bornaviren nachgewiesen.
Mögliche Übertragungswege entdeckt
Untersuchungen von Gewebeproben zeigten, dass die Spitzmäuse große Virusmengen in nahezu allen Organen aufwiesen, darunter auch in den Schleimhäuten der Mundhöhle, dem Atmungstrakt sowie in der Haut. Es ist daher denkbar, dass die Hautschuppen dieser Tiere infektiös sind.
„Uns überraschte, dass wir besonders hohe Mengen des Virus in der Haut der Spitzmäuse fanden. Üblicherweise befinden sich die Viren eher im Inneren eines Überträgerorganismus und werden mit dem Urin und Kot ausgeschieden. Da bei Pferden zuerst das Riechhirn von einer Infektion betroffen ist, gehen wir eher von einer Infektion über die Atemwege als über den Verdauungstrakt aus", so Co-Autor und Pathologe Weissenböck.
Spitzmäuse wandern nicht gern
Die Feldspitzmaus (Crocidura leucodon) gibt es nur in Mitteleuropa. Und überall dort, wo die Bornasche Krankheit vorkommt, lebt auch die Feldspitzmaus. Die Infektionskrankheit gibt es vor allem in Deutschland, aber auch in Gebieten der Ostschweiz sowie im angrenzenden Vorarlberg. Virologe Nowotny erklärt: „Die Verbreitung der Feldspitzmaus bleibt relativ konstant, da das Tier sehr standorttreu ist. Die Feldspitzmaus wandert nicht gerne." In den letzten Jahren sind die Krankheitsfälle sogar zurückgegangen. Mittlerweile kommt es etwa zu 100 Fällen im Jahr.
Genetik entlarvt Infektionsweg
Einen weiteren Beweis für die Feldspitzmaus als sogenanntes Erreger-Reservoir bietet die genetische Analyse der Viren aus den Spitzmäusen und den Pferden. Die Virusstämme in den untersuchten Spitzmäusen stimmen exakt mit den Stämmen aus den erkrankten Pferden derselben Region überein. Das spricht dafür, dass sich in den sehr standorttreuen Feldspitzmäusen offenbar über Jahrhunderte hinweg für bestimmte Regionen charakteristische Virussubtypen herausgebildet haben, die dann auf Pferde übertragen werden können.
Bornasche Krankheit ist nicht ansteckend
Der Übertragungsweg der Bornaschen Krankheit stellt eine Besonderheit dar. Das Virus wird nicht zwischen einzelnen infizierten Tieren übertragen sondern benötigt immer den Zwischenwirt - Feldspitzmaus. Die Krankheit ist demnach nicht direkt ansteckend, weswegen nie ganze Herden sondern nur Einzeltiere betroffen sind. „Eine Übertragung kann am besten mit dem Fernhalten der Spitzmäuse aus den Ställen verhindert werden. Übliche Hygienemaßnahmen sollten hier ausreichen", so der Studienleiter Nowotny.
Der Artikel "The bicolored white-toothed shrew Crocidura leucodon (HERMANN 1780) is an indigenous host of mammalian Borna disease virus" von Ralf Dürrwald, Jolanta Kolodziejek, Herbert Weissenböck und Norbert Nowotny wurde am 3. April im Journal PLOS ONE veröffentlicht. http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0093659
Quelle: "Veterinärmedizinische Universität Wien"