Das Wort "Akupunktur" sorgte in letzter Zeit bei vielen Tier- und insbesondere Pferdebesitzern für Stirnrunzeln. Einige Leute schwören darauf; andere schütteln ihren Kopf. Unabhängig von der Reaktion sorgt Akupunktur für großes Interesse in der Welt der Pferde.

Akupunktur (acus - Nadel, pungere - stechen) wird definiert als Technik zur Behandlung von  Erkrankungen. Durch das Einführen dünner Nadeln (oder anderer Formen von Druck, Erwärmung (Moxibustion) bzw. Laserlicht) an bestimmten Punkten durch die Haut wird eine örtliche Reizung herbei geführt. Es stimuliert diese Punkte des Körpers, um verschiedene biochemische und physiologische Vorgänge mit dem Ziel zu verändern, den gewünschten Effekt zu erzielen. 

Die Geschichte der Akupunktur für Tiere reicht zurück bis 2.000-3.000 v. Ch. zu den Shang und Chow Dynastien in China. Interessanterweise basierte eines der ersten Tierarztbücher "Bai-le's Canon of Veterinary Medicine", welches um 650 v. Chr. geschrieben wurde, überwiegend auf Akupunktur und ihren Ableitungen. Sie wurde im Fernen Osten über Jahrhunderte praktiziert, erhielt aber von westlichen Tierärzten für Tiere bis zum letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wenig Aufmerksamkeit.

Akupunktur ist eigentlich der Behandlungswunsch eines Viertels der Weltbevölkerung, was erstaunlich ist, wenn Akupunktur theoretisch als Naturphänomen eingeschätzt wird. Kein Mechanismus kann all die physiologischen Effekte erklären, die beobachtet wurden. Dieses Fehlen einer konkreten Erklärung verursacht, dass manche Leute an der Stichhaltigkeit der Akupunktur zweifeln und ihr nicht trauen.

Dennoch wird Akupunktur von einer wachsenden Anzahl von Therapeuten und Veterinären für verschiedene Erkrankungen eingesetzt. Viele angesehene Pferdeverbände unterstützten die Akupunktur als eine vertrauenswürdige tierärztliche Behandlung. Die American Veterinary Medical Association (AVMA) beispielsweise bezeichnet Akupunktur als eine "offizielle Behandlungsweise" und stellt fest, dass "die Techniken als chirurgische und / oder medizinische Vorgehensweisen angesehen werden sollten". Die American Association of Equine Practitioners (AAEP) bezeichnet Akupunktur ebenfalls als eine offizielle Behandlungsweise und hat eine Projektgruppe zu therapeutischen Optionen gebildet, die den Wert der Akupunktur und anderer Praktiken einschätzen soll.

Die Organisationen sagen dennoch, dass es ein Potential für den Missbrauch der Akupunktur und ähnlicher Therapien gibt. Sie empfehlen, dass umfangreiche Forschungen und Bildungsmaßnahmen unterstützt werden sollen, um für kompetente Akupunktur Therapeuten zu sorgen.

Wenn es keine einfache Erklärung gibt, warum nutzen und unterstützt man die Akupunktur? Weil es Nachweise gibt, dass sie hilft. Traditionelle chinesische medizinische Theorien dokumentierten die Wirkungen aufgrund von empirischen Beobachtungen und Beschreibungen über 4000 Jahre.

Viele Tierbesitzer schätzen die Natürlichkeit und Sicherheit der Akupunktur. Nebenwirkungen sind selten. Der Körper wird keiner Medizin oder chemischen Substanzen ausgesetzt. In der westlichen Welt wird sie meistens eingesetzt, wenn Operationen nicht durchführbar sind, oder wenn medizinische Behandlungen nicht wirksam werden, oder wenn sie aufgrund möglicher nachteiliger Nebenwirkungen nicht durchgeführt werden können.

Da Akupunktur das körpereigene System der Heilung ausgleicht, entwickeln sich Komplikationen äußerst selten.

Sie überbrückt die Lücke zwischen der Medizin und der Chirurgie. Es ist eine Methode, mit welcher der Körper sich selbst heilen kann.

Für diejenigen, die erst Beweise sehen müssen, bevor sie es glauben: Akupunktur wurde zur Behandlung Hunderter Leiden genutzt. Bei Kleintieren wird Akupunktur meistens zur Behandlung von Erkrankungen wie Hüftverrenkungen, Arthritis, bestimmte Arten von Lähmungen und tückischem Asthma. Bei Pferden wurden Rückenprobleme, Kahnbein Erkrankungen, Hufrehe und viele Arten der Lahmheit mit Akupunktur behandelt (Liste bitte Hier Klicken).

Es gibt eine wissenschaftliche Erklärung. Wesentlich ist, dass es einen Domino-Effekt gibt. Wenn auf eine bestimmte Stelle der Haut Druck ausgeübt wird, werden verschiedene Rezeptoren für Sinneswahrnehmungen (Schmerz, Temperatur, Druck und Berührung) stimuliert. Diese Rezeptoren stimulieren danach wahrnehmungsempfindliche Nerven, oder Nerven, die Impulse von äußeren Teilen des Körpers zum zentralen Nervensystem (ZNS) weiterleiten. Diese Nerven senden ein Signal zum ZNS und dann zum Hypothalamus-Hypophysen-System (Hirnanhangdrüse), welches sich am Fuße des Gehirns befindet. Die Hypothalamus-Hypophysen-Drüsen sind für die Entsendung von Neurotransmittern (Überträgersubstanzen zwischen den Nerven) und "natürlichen Anti-Schmerz-Hormonen" verantwortlich.

Diese Substanzen verursachen Nachfolge-Effekte im gesamten Körper. Sie erhöhen die Blutzirkulation, entspannen Muskelkrämpfe, stimulieren Nerven und das körpereigene Abwehrsystem und sorgen für zahlreiche weitere vorteilhafte Ergebnisse.

Therapeutische Wirkungen werden nur hervorgerufen, wenn bestimmte festgelegte Punkte am Körper stimuliert werden. Diese Punkte kennzeichnen Gebiete mit erhöhter elektrischer Sensibilität. Die Auswahl der Punkte erfolgt auf der Grundlage, wo die Stimulation neben ständiger, abgestimmter physiologischer Aktivität eine vorteilhafte Veränderung im ZNS hervorrufen wird.

Im Einzelnen entsprechen die Akupunkturpunkte vier bekannten Nervenstrukturen, wie im folgenden erklärt wird:

  • Zu Typ 1 gehören 67% aller Akupunkturpunkte. Sie werden als motorische Punkte betrachtet, die nahe dem Punkt liegen, wo der Nerv in den Muskel führt.
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  • Typ 2 liegen an den oberflächlichen Nerven oben am Rücken entlang und entlang der Mitte des Bauches.
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  • Typ 3 befinden sich an sehr dichten Punkten von äußeren Nerven oder Nervengeflechten, wie z.B. die unteren Gliedmaßen.
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  • Typ 4 liegen in einer Sehne, wo ein wellenförmiges Sinnes-End-Organ Informationen über Muskelkrämpfe an das Gehirn weiterleitet.


Wie werden diese Punkte stimuliert? Viele Leute denken an dünne Nadeln, die in der Haut stecken, wenn sie sich Akupunktur vorstellen.

Es wird traditionell mit sterilisierten dünnen Nadeln aus Edelstahl durchgeführt, und im Gegensatz dazu, was viele glauben, involviert der medizinische Prozess gar keine bis minimale Schmerzen.

Es gibt manchmal eine kurzes Schmerzempfinden, wenn die Nadel die Haut in bestimmten Bereichen durchsticht. Sitzt die Nadel jedoch einmal an ihrem Platz entspannen die meisten Tiere und schlafen während der Behandlung oft sogar ein."

Die Behandlung dauert normalerweise zwischen 5 und 30 Minuten. Die Patienten werden oftmals ein- oder zweimal pro Woche behandelt.

Es gibt eigentlich viele Verfahrensweisen neben der traditionellen Methode mit trockenen Nadeln, um Akupunkturpunkte zu stimulieren. Zu ihnen gehören die Elektroakupunktur, Aquapunktur, Moxibustion (Benutzung von Hitze und Verbrennung), Laser Stimulation, Gold Impfungen und Akupressur. Die Leute verwechseln manchmal Akupunktur mit anderen Formen alternativer Therapien. Chiropraktische Methoden werden z.B. fälschlicherweise oft für Akupunktur gehalten. Diese Art der Therapie basiert auf der Beziehung zwischen dem Körper des Tieres, der Wirbelsäule und dem Nervensystem. Es involviert nicht die Stimulation über Akupunkturpunkte.

Das westliche Denken, wie auch die westliche Schulmedizin ist geprägt vom Kausalitätsprinzip. Dies bedeutet die Suche der Krankheit in der Vergangenheit. Qualität und Messbarkeit der Krankheit liegen im Vordergrund. Ganzheitliche Entwicklungsprozesse werden meist nicht berücksichtigt.

Aber was geschieht, wenn keine Messdaten, Befunde, Röntgenbilder, etc. gefunden werden? Dann fehlt der westlichen Medizin der Ansatz für eine Diagnose und Therapie. Die Krankheitsbilder können oft nicht ausreichend erklärt und behandelt werden.

Biologie und Medizin des Westens folgend noch weitgehend dem mechanistischen Weltbild. Demnach sind die Körper und Dinge das Primäre und die Beziehungen zwischen den Dingen sekundär. Auf die Medizin übertragen bedeutet dies, dass die sog. objektiven Befunde für das Wichtigste gehalten werden, das subjektive Befinden bleibt dagegen sekundär.

Die TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) ist mit dem System der westlichen Schulmedizin in keiner Weise vergleichbar. Sie hat immer die Subjektivität des Krankseins den höchsten Stellenwert bei der Analyse eines krankhaften Geschehens eingeräumt.

Die TCM ist eine Erfahrungsmedizin, die sich über mehrere tausend Jahre entwickelt hat. Hier tritt der dynamische Prozess einer Erkrankung in den Vordergrund. Es ist nicht das Ziel eines Akupunkteurs Messungen an Organen vorzunehmen, sondern den energetischen Prozess zu beurteilen und bei einem Ungleichgewicht zu behandeln.

Auch in der westlichen Erfahrungsmedizin, besonders in der Homöopathie, ist allgemein bekannt, dass ein Krankheitsprozess, der sich an einer bestimmten Stelle des Körpers eines Tieres lokalisiert, zu einer Zeit an einer anderen Stelle auftreten kann. Allgemein herrscht jedoch in der westlichen Medizin der mechanistisch-lokalistische Denkansatz. Nicht die Beziehungen zwischen den Dingen werden als wesentlich angesehen, sondern ihre Lokalisierung. Nicht die Beziehung zwischen Erreger und Umfeld wird als wesentlich angesehen, sondern in der Regel der Erreger. Man meint, wenn man den Erreger einer Krankheit unterdrückt hätte, habe man die Krankheit beseitigt und bemerkt aber nicht, dass die Schädigung des Umfelds dadurch in noch keinster Weise beseitigt ist.

Nicht das Befinden steht im Mittelpunkt, sondern der Befund. Nicht das Kranksein, sondern die Krankheit.

Man versucht die Krankheit auf ein Organ, auf eine Lokalisation zu reduzieren. Der Patient selbst wird dann zur Nebensache. Das Tier selbst ist medizinisch uninteressant, sofern es nicht um eine psychosomatische oder naturheilkundliche Behandlung geht. Wenn Krankheitserscheinungen von einer Lokalisation vertrieben wurden und an einer anderen Stelle wieder auftreten, wird in der Regel kein innerer Zusammenhang gesehen, sondern eine neue Krankheit vermutet.

Die Aufsplitterung der Medizin in Fachgebiete bzw. Spezialisierungen zementiert diese Vorgehensweise. Auch wenn die Aufteilung in Fachgebiete zweifelsohne notwendig ist, so wird das Fehlen einer medizinischen Theorie, die fachübergreifende Aspekte und die Persönlichkeit in den Mittelpunkt stellt, von den Patienten als bitterer Mangel erlebt. Eine gewisse Veränderung ist derzeit in der Aufwertung der Psychosomatik und der Naturheilkunde zu erkennen.

Leider auch unter den Akupunktur - Therapeuten ist die mechanistische Denkweise sehr verbreitet. Man ordnet einer westlichen Diagnose bestimmte Punkte zu, die in jedem Fall zu stechen sind. Das ist jedoch von kurzer Wirkung und in der TCM unzulässig. Ein guter Therapeut bestimmt die Punkte individuell und wird sie auch während des Behandlungszeitraumes variieren. Dabei kann man natürlich davon ausgehen, dass in ähnliche gelagerten Fällen ähnliche Punktkombinationen zum Einsatz kommen, aber man muss immer eine konkrete Analyse vornehmen.

Analgetische Wirkung der Akupunktur

Verspürt ein Tier Schmerzen, so werden zunächst die im Gewebe befindlichen Schmerzfühler erregt. Diese wandeln den Schmerz in einen Impuls um, der über die Nervenfasern zum Rückenmark transportiert wird. Über das Rückenmark gelangt der Impuls zum Zwischenhirn. Nach dortigem letztem Umschalten des Impuls gelangt dieser schliesslich zum Großhirn.

Wird ein Akupunkturpunkt mittels Nadel (Laser, Moxa, Druck, etc.) gereizt, kommt es zur Freisetzung von chemischen Stoffen (s.o.). Diese Impulse führen zu einer Hemmung der elektrischen Erregbarkeit der Hinterhornneurone im Rückenmark. Der Schmerz gelangt so nur noch vermindert zum Großhirn. Dies erklärt den sofortigen schmerzlindernden Effekt der Akupunktur (sofortanalgetische Wirkung)

Die Langzeitwirkung der Akupunktur versteht sich etwas anders. Hier werden Endorphine auf Dauer vom Gehirn ausgeschieden, die ähnlich dem Morphium auf den Organismus wirken und eine anhaltende Schmerzlinderung bewirken.

Gibt es bei der Akupunktur Nebenwirkungen ?

Eine fachgerecht durchgeführte Akupunktur hat keine Nebenwirkungen. Die Akupunktur setzt auf die Selbstheilungskräfte des Körpers, deren Aktivierung im Verlauf der Behandlung kurzfristig Symptome verstärken kann, die jedoch rasch wieder abklingen. Die Heilung verläuft von innen nach außen, so dass Ausscheidungen über Haut, Stuhl und Urin möglich sind. Meist tritt nach der Akupunktur eine angenehme Entspannung auf, manchmal ein Schlafbedürfnis. Bitte vermeiden Sie 2 Stunden vor und 24 Stunden nach jeder Behandlung körperliche Anstrengung, Stress.

NB: Ich verwende in meiner Praxis nur sterile Einmalnadeln die nach der Behandlung fachgerecht entsorgt werden.

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